Ein Interview mit Bärbel Holländer, Chefredaktion Naturstein
1.- Die deutsche Natursteinbranche scheint über die Jahre kleiner geworden zu sein, so der Eindruck, den man von außen betrachtet. Aber vielleicht könnte eine sinnvollere Interpretation sein, dass sie sich in spezialisierte Nischen entwickelt hat. Wäre dies eine korrekte Betrachtungsweise der Realität?
Spezialisierte Betriebe gab es schon immer. Wir unterscheiden zwischen:
- Mischbetrieben (Grabmal, Bau und Restaurierung),
- Grabmalbetrieben, die vorgefertigte Grabmale ein- und verkaufen
- Steinbildhauern, die selber fertigen und gestalten und freien Bildhauern
- Baubetrieben, die Treppen, Terrassen, Beläge und kleine Fassaden fertigen
- Betrieben, die große Projekte wie z.B. große Fassaden meistern
- Betrieben, die sich auf den exklusiven Innenausbau spezialisiert haben
- Restaurierungsbetrieben
Dass die Branche kleiner wird, ist richtig und rührt daher,
- dass viele und vor allem kleinere Betriebe keine Lehrlinge, Fachkräfte und Nachfolger finden und schließen
- dass größere Firmen viele kleinere übernehmen und als Niederlassungen führen (Einkauf erfolgt zentral)
- dass die Aufträge im Grabmalbereich aufgrund der sich verändernden Trauer- und Friedhofskultur weniger und kleiner werden
- dass es auch am Bau nach starken Corona-Jahren weniger Aufträge gibt
- dass die öffentliche Hand regional weniger Geld für Restaurierungsvorhaben locker machen kann
2.- Wie groß ist Ihrer Meinung nach die deutsche Steinindustrie in etwa?
2023 umfasste die deutsche Naturwerksteinbranche 190 Betriebe der Steinindustrie mit rund 9.000 Beschäftigten, die jählich rund 1 Mio. Kubikmeter Stein in rund 240 Brüchen gewinnen. Die Zahl der Beschäftigten variiert, da es zusätzlich zu festangestellten Kräften mehrere hundert freie Mitarbeiter und Subunternehmer gibt.
Außerdem umfasste die deutsche Naturwerksteinbranche 2023 4.500 Steinmetzbetriebe, darunter etwa 1.300 Ein-Mann-Betriebe. Die restlichen beschäftigen zwischen einem und 50 Mitarbeitern, wobei die meisten Betriebe nicht mehr als fünf Mitarbeiter beschäftigen. Wenige Steinmetzbetriebe verfügen über eigene Brüche.
Insgesamt beschäftigte die deutsche Naturwerksteinwirtschaft 2023 rund 15.000 Personen.
3.- Wie geht es den Steinmetzen in Deutschland angesichts der rückläufigen Bautätigkeit im Jahr 2024 bei einem jährlichen Wohnungsbedarf von 400000 Einheiten und nur etwa 250000 gebauten Einheiten?
Wie bereits erwähnt, ist die Auftragslage im Neubau eher angespannt. Besser ist die Lage beim Bauen und Restaurieren im Bestand. Es gibt viele Menschen, die ab 60 nochmal in die Verschönerung und den altersgerechten Umbau ihrer Häuser und Wohnungen investieren. Sie stellen aber auch hohe Ansprüche, die nicht jeder Betrieb erfüllen kann.
4.- Welche Tätigkeit unterscheidet Ihrer Meinung nach die deutschen Steinmetze von denen in anderen Ländern, wenn man bedenkt, dass das Land eine Hochkostenwirtschaft ist?
Deutschland ist berühmt für sein sehr gutes duales Ausbildungssystem. Sie lernen in Betrieben, werden aber auch überbrtrieblich von Experten geschult. Auch im Steinmetzhandwerk und in der Natursteinindustrie werden Auszubildende umfassend geschult. Es gibt sehr gute Techniker, Rastauratoren und Gestalter. Die Gehälter für Gesellen sind nicht hoch, wenn auch höher als vor fünf Jahren. Insgesamt bietet die Branche gute Perspektiven für engagierte Fachkräfte. Nur: Handwerk liegt in Deutschland leider nicht im Trend. Viele Firmen finden keine Auszubildende und erst recht keine ausgebildeten Fachkräfte, denn diese werden in allen Sparten benötigt.
5.- Welche Natursteine aus dem Ausland sind hierzulande derzeit besonders gefragt?
Immer noch helle graue und beige sowie dunkle bis schwarze Gesteinssorten; hier sind die meisten Verbraucher eher konservativ. Es gibt mehr Bewusstsein für nachhaltige Produkte. Daher gibt es eine größere Nachfrage nach europäischen Gesteinssorten und Steinen aus der Region. Naturstein ist ja ein überaus nachhaltiger Werkstoff, da er nicht erst hergestellt werden muss. Transporte um die halbe Welt wirken sich jedoch schlecht auf die Ökobilanz aus. Unser Deutsche Naturwerkstein-Verband hat in Kooperation mit dem Bundesverband Deutscher Steinmetze schon mehrere Studien zu diesem Top-Thema (Nachhaltigkeit) veröffentlicht.
6.- Wie erklären Sie sich angesichts der Tatsache, dass wir im Zeitalter der Nachhaltigkeit als wichtiges Kriterium leben und alles Natürliche in Mode zu sein scheint, die starke Präsenz künstlicher Materialien auf dem deutschen Markt?
Quarzkomposite und Großkeramik, die Verbrauchern fraglos bestimmte Vorteile bieten, werden von großen Unternehmen produziert, die viel Geld für Marketing locker machen (können). Die Naturwerksteinindustrie hat dieses Budgets nicht zur Verfügung. Außerdem arbeitet sie mit einem nicht menschengemachten Werkstoff. Einzelne Gesteinssorten gibt es selten, und wenn doch, meist nicht lange exlusiv. Marketingkampagnen scheitern letztlich immer daran, dass Betriebe, die Werbung befürworten, nicht damit leben können, dass ihre Konkurrenz sich nicht beteiligt, obwohl die Werbung pro Naturstein allen hilft. Die Kampagne „zukunft.naturstein“ des Deutschen Naturwerkstein-Verbands ist deshalb sehr postiv zu bewerten und beispielhaft. Das gilt ebenso für die vom Bundesverband Deutscher Steinmetze initiierte Nachwuchswerbekampagne „Stein macht stolz“.
7.- Für welche Anwendungen wird Naturstein Ihrer Meinung nach auch in Zukunft das bevorzugte Material in Deutschland sein?
Naturstein kann vieles, was andere Werkstoffe nicht können. Er altert in Würde. Er lässt sich massiv einsetzen. Die Oberfläche lässt sich individuell bearbeiten. Jeder Stein ist ein Stück Erdgeschichte und ein Unikat. Massive Anwendungen mögen teuer sein, sind aber, wie uns die Menschheits- und Kulturgeschichte zeigt, äußerst nachhaltig. Auch im Garten- und Landschaftsbau überzeugt massiv verbauter Naturstein unbedingt. Aber auch in Form von Belägen und Wandbekleidungen, Arbeitsplatten und Waschtischen ist Naturstein ein Werkstoff, der seinen Nutzern höchste Wohnqualität garantiert.
8.- Wie wird sich die deutsche Steinindustrie Ihrer Meinung nach in Zukunft entwickeln?
Der Konzentrationsprozess ist noch nicht abgeschlossen. Es sind aber in vielen Firmen etliche gute, junge Leute am Start, die sich nicht als Konkurrenten behindern, gute Kooperationen pflegen, die Bedürfnisse der Verbraucher zu bedienen wissen und ihr Handwerk verstehen. Sie vermarkten sich als Manufakturen und bilden sich laufen fort. Vor allem leben sie ihre Leidenschaft für Naturstein und bieten diesen entsprechend überzeugend an. Naturstein ist kein Billigprodukt, wenn auch längst nicht so teuer, wie viele denken. In Deutschland gibt es eine relativ breite Klientel, die sich diesen Werkstoff gerne leistet, wenn sie von ihm weiß. Mit Top-Wissen, Top-Qualität, bestmöglichem Service und guter öffentlicher Darstellung können Betriebe in allen oben genannten Tätigkeitsfeldern erfolgreich sein und in die Zukunft gehen.