Natursteinfassaden weisen deutliche energetische Vorteile gegenüber Glasfassaden auf. Dies beweist eine Nachhaltigkeitsstudie, die Naturstein- und Glasfassaden hinsichtlich ihrer ökologischen Leistungsfähigkeit bewertet.
Der Frankfurter OpernTurm wird in Fachkreisen als das spektakulärste deutsche Bürohochhaus seit Jahren angesehen. Aus energetischen Gründen gaben Stararchitekt Christoph Mäckler und der Bauherr Tishman Speyer einer Natursteinfassade gegenüber einer reinen Glasfassade den Vorzug. Aufgrund der verwendeten Natursteinfassade erhielt der OpernTurm als eines der ersten Bürogebäude Europas den begehrten LEED-Standard des U.S. Green Building Councils in Gold.
Planer, Architekten und Betreiber erkennen vermehrt den enormen Energieverbrauch, der mit dem Bau und Unterhalt gläserner Gebäudehüllen einhergeht. Politik und Medien haben diese Problematik bereits mehrfach aufgegriffen: So gab der bayerische Rechnungshof 2008 eine Empfehlung heraus, bei staatlichen Baumaßnahmen Glasfassaden nur in besonders begründeten Fällen einzusetzen. Der Spiegel verdeutlichte bereits im Jahr 2004 (Ausgabe 47) die Energie- und Kostenexplosion, die die notwendige Kühlung von Glasbauten verursacht.
Der Deutsche Naturwerkstein-Verband e.V. (DNV) nahm das Interesse an energiesparenden Fassaden zum Anlass, eine Nachhaltigkeitsstudie durchführen zu lassen, die Naturstein- und Glasfassaden hinsichtlich ihrer ökologischen Leistungsfähigkeit bewertet. Das weltweit tätige Beratungsunternehmen PE International hat diese Aufgabe für den DNV übernommen.
Die zweiteilige Studie betrachtet die gesamte Ökobilanz der Glas- und Natursteinfassaden, aufgeteilt in Herstellung, Nutzung und Entsorgung (End of Life), und vergleicht unterschiedliche Fassadenkonstruktionen bezüglich des Verbrauchs von Primärenergie und der Entstehung von Umweltbelastungen.
Der erforderliche Austausch von Baustoffen innerhalb der Nutzungsphase wird durch den „Leitfaden Nachhaltiges Bauen des Bundesbauministeriums“ bestimmt. Dieser sieht für Naturstein eine durchschnittliche Lebensdauer von 80 Jahren vor. Die gewählte Nutzungsdauer ist eine Konvention und schließt nicht aus, dass die Lebensdauer deutlich höher sein kann.
Ökobilanzstudie - Aufbau
Die vorliegende Studie wurde auf der Grundlage der LCA-Methode (engl. LCA – Life Cycle Assessment) durchgeführt. Darunter versteht man eine systematische Analyse der Umwelteinwirkungen von Produkten während des gesamten Lebensweges („von der Wiege bis zur Bahre“). Dazu gehören sämtliche Umwelteinwirkungen während der Produktion, der Nutzungsphase und der Entsorgung des Produktes, sowie die damit verbundenen vor- und nachgeschalteten Prozesse (z. B. Herstellung der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe).
Ökobilanzstudie – Teil 1
Der erste Teil der Studie befasst sich mit dem Vergleich zweier typischer Fassadenkonstruktionen mit Naturstein und Glas über einen Zeitraum von 100 Jahren. Ein Quadratmeter einer hinterlüftete Natursteinfassade inklusive Wärmedämmung und Stahlbetonwand steht dabei einer flächengleichen Glasfassade mit einer Unterkonstruktion aus Aluminium gegenüber.
Ergebnisse – Teil 1
Über den Zeitraum von 100 Jahren zeigt die Natursteinfassade deutliche ökologische Vorteile gegenüber einer Glasfassade. Zusammenfassend ist festzustellen, dass Natursteinfassaden sowohl in der Herstellung als auch in der Nutzungsphase wesentlich weniger Primärenergie als Glaselemente benötigen, so dass - über den gesamten Lebenszyklus betrachtet - für Glasfassaden mehr als das Dreifache an Primärenergie aufgewandt werden muss (s. Abb. 1).
Auch die betrachteten Umwelteinwirkungen der Glasfassade sind wesentlich höher als die der Natursteinfassade (s. Abb. 2): - das Treibhauspotenzial (CO2- Äquivalent; GWP) mehr als 2,5-fach - das Ozonabbaupotenzial (R 11; ODP) mehr als 1,5-fach - das Versauerungspotenzial (SO2-Äquivalent; AP) mehr als 3-fach - das Eutrophierungspotenzial (PO4-Äquivalent; EP) mehr als 4-fach - das Sommersmogpotenzial (C2H4 -Äquivalent; POCP) mehr als 4-fach
Ökobilanzstudie – Teil 2
Teil 2 der Ökobilanzstudie befasst sich mit den folgenden Fassadenvarianten am Beispiel des Frankfurter OperTurms über einen Betrachtungszeitraum von 50 Jahren:
- Fassadenvariante 1: am Opernturm in Frankfurt realisierte Fassade, bestehend aus einer elementierten, hinterlüfteten Natursteinfassade (17 %), einer hinterlüfteten Natursteinfassade nach DIN 18516-3 (33 %), sowie Glaselementen (50 %)
- Fassadenvariante 2: hinterlüftete Natursteinfassade nach DIN 18516-3 mit einem Fensteranteil von 50 %.
- Fassadenvariante 3: adäquate Glasfassade, bestehend aus Glaselementen (90 %) und hinterlüfteter Natursteinfassade nach DIN 18516-3 (10 %)
Ergebnisse – Teil 2
Auch der Vergleich der Fassadenvarianten im zweiten Teil der Studie zeigt, bezogen auf die circa 30.000 Quadratmeter Gesamtfassadenfläche des OpernTurms, ebenfalls deutliche ökologische Vorteile der beiden Natursteinfassaden gegenüber der Glasfassade. Der Primärenergieverbrauch einer Glasfassade (Fassadenvariante 3) ist mehr als das zweifache höher als vergleichbarer Natursteinfassaden (Fassadenvarianten 1 und 2) (s. Abb. 3).
Die betrachteten Umwelteinwirkungen der Glasfassade liegen zwischen 60% und 175% höher als die der Natursteinfassade.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass über den gesamten Lebenszyklus betrachtet alle Umweltbelastungen der Glasfassade gegenüber der Natursteinfassade wesentlich höher sind (s. Abb.4).:
- das Treibhauspotenzial (CO2- Äquivalent; GWP) mehr als 1,5-fach
- das Ozonabbaupotenzial (R 11; ODP) mehr als 2,5-fach
- das Versauerungspotenzial (SO2-Äquivalent; AP) mehr als 1,5-fach
- das Eutrophierungspotenzial (PO4-Äquivalent; EP) mehr als 1,5-fach
- das Sommersmogpotenzial (C2H4 -Äquivalent; POCP) mehr als 1,5-fach
Ökonomische Vorteile der Natursteinfassade
Natursteinfassaden bieten nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch wesentliche Vorteile: So ist der für den Wärmeschutz bedeutende U-Wert bei der Natursteinfassade mit 0,32 W/m²K wesentlich geringer als bei der Glasfassade mit 1,25 W/m²K. Dies bedeutet, das die Transmissionswärmeverluste und damit der Wärmebedarf des Gebäudes bei der Natursteinfassade deutlich geringer sind. Die ökonomischen und ökologischen nachteiligen Auswirkungen der Wäremverluste im Winter sowie des im Sommer benötigten enormen Kühlbedarfs bei großflächigen Glasflächen sind in der Studie nicht berücksichtigt.
Laut einer Untersuchung des Darmstädter Instituts Wohnen und Umwelt liegt der Energiebedarf eines Gebäudes mit konventioneller Natursteinfassade zwischen 100 und 150 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr [kWh/m²a], während der Primärenergieverbrauch bei Glasgebäuden zwischen 300 und 700 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr anzussiedeln ist und somit das Niveau schlechter Altbauten erzielt.
Auch die Herstellungskosten einer Natursteinfassade sind wesentlich günstiger als die einer Glasfassade. Der Oberste Bayerische Rechnungshof stellte bei 20 geprüften Fassaden fest, dass die Investitionskosten in etwa proportional mit dem Glasanteil anstiegen. Während Lochfassaden bei einem Glasanteil von 35 % mit 400 €/qm Fassadenfläche auskamen, wurden bei einem Glasanteil von 90 % Investitionskosten von 1.280 €/qm notwendig. Die Werte stiegen annähernd linear. 1 % Glasanteil über das Normalmaß einer Lochfassade hinaus kostete einschließlich Nebenkosten 16 €/qm Fassadenfläche (Baukostenindex November 2006). Ebenso betragen die Instandhaltungskosten einer Natursteinfassade nur halb so viel wie die einer Glasfassade. Hinzu kommen für Glasflächen noch jährliche Reinigungskosten von durchschnittlich circa 1,50 Euro pro Quadratmeter . Dabei fallen bei Lochfassaden ca. 1 €/qm und bei Glasfassaden bis zu 4 €/qm an. Bei Gebäuden mit Doppelfassaden bzw. mit besonders reinigungsintensiven oder schwer zugänglichen Bauteilen fallen wesentlich höhere Reinigungskosten an.
Kontaktdaten für weitere Informationen:
Deutscher Naturwerkstein-Verband e.V.
Reiner Krug Sanderstraße 4 97070 Würzburg
Tel. 09 31.1 20 61 Fax 09 31.1 45 49