Robert Stadler, Zürich
Wenn Naturstein und Beton direkt aufeinander treffen, bilden sich oft spannungsvolle Kontraste. Besonders eindrucksvoll zeigt sich das an den Fassaden einer neuen exklusiven Wohnüberbauung in Meilen am Zürichsee (Schweiz).
Der vom renommierten Architekturbüro Max Dudler (Zürich, Berlin, Frankfurt) entworfene Wohnpark «Gießen» liegt an aussichtsreicher Hanglage oberhalb des Zürichsees. Die Siedlung umfasst in zwölf Baukörpern insgesamt 47 exklusive 2 1⁄2 – 7 1⁄2-Zimmer-Eigentumswohnungen mit Wohnflächen bis zu 260 m2 und Gartenanlagen bis zu 200 m2. Hinzu kommen acht Gewerbeeinheiten.
730 Tonnen Mauersteine
Die Tragkonstruktion der Häuser besteht aus rasterartig zusammengefügten Sichtbeton-Fertigelementen und einem dahinter liegenden Backsteinmauerwerk. Die Betonteile sind maximal 4,9 m lang, einheitlich 60 cm breit und 15 cm hoch; das Backsteinmauerwerk ist 17,5 cm dick. In den meisten der rechteckförmigen Rasteröffnungen eingefügt sind geschosshohe, unterschiedlich breite Fensterverglasungen. Die restlichen, nicht verglasten Rasterflächen, entsprechend insgesamt 2500 m2, wurden mit einem bruchrauen Mauerwerk aus Rorschacher Sandstein ausgefacht.
Der Schweizer Natursteinproduzent Bärlocher Steinbruch und Steinhauerei AG (www.baerlocher-natursteine.ch) aus lieferte dafür 730 Tonnen Mauersteine in Längen zwischen 30 und 70 cm, in fünf unterschiedlichen Schichthöhen (4, 8, 12, 16 und 20 cm) und in einer Dicke von ca. 11 cm. Die Sichtflächen und Stoßfugen sind gespalten, die Lagerflächen gespalten oder geflammt.
Wie eine Trockenmauer
Die Umsetzung des Vorsatzmauerwerkes im so genannten Schottischen Verband erforderte auf der Baustelle zehn Monate. Jeweils zwischen acht und zwölf Steinmetze und Steinhauer arbeiteten daran. Jeder einzelne Stein musste sorgfältig ausgewählt, nötigenfalls leicht zugehauen und dann mit möglichst schmalen Fugen zu einem optisch ausgewogenen Verband zusammengefügt werden. Die Stoß- und Lagerfugen sind zwischen 2 mm und maximal 5 mm gross.
Nach außen sind die Fugen offen, was den Eindruck einer Trockenmauer vermittelt, nach innen sind sie – aus Gründen der Stabilität – mit einem Spezialkleber (PCI Carrament grau) vollflächig verklebt. Die auf den querliegenden Betonriegeln abgestützte Konstruktion ist je Quadratmeter Mauerfläche zusätzlich mit Rückhalteankern im dahinterliegenden Backsteinmauerwerk verankert. Zwischen der Vormauerung und der Backsteinmauer liegen ein 6– 9 cm breiter Luftspalt als Hinterlüftung und eine 18 cm dicke Wärmedämmung aus Glaswolle.
Rorschacher Sandstein
Der Rorschacher Sandstein ist ein feinkörniges, sehr homogenes graues Material mit einem leichten Stich ins Grünliche. Er eignet sich für fast alle Innen- und Außenanwendungen. Im Steinbruch der Firma Bärlocher in Staad bei Rorschach am Bodensee werden mittels modernster Diamantseiltechnik jährlich über 10‘000 m3 Sandstein abgebaut. Ein elektrisch betriebenes Endlos-Seil schneidet zunächst häusergroße Blöcke aus der Bruchwand; danach fügt man in die schmalen Vertikalschlitze mehrere pneumatische Stahlkissen ein, setzt diese unter Druck und bringt so den Steinkoloss zum Einsturz. Aufgrund der Schichtung zerfällt dieser in mehrere, noch immer mächtige Blöcke. Pneumatische Bohrer zerkleinern sie auf das zur Weiterverarbeitung gewünschte Blockmaß. Auf CNC-gesteuerten Fräsen und verschiedenen Oberflächenbearbeitungsmaschinen entstehen im Werk schließlich die Fertigprodukte.
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«Die Arbeit verlangte ein geschultes Auge»
Daniel Stoffer, Sie leiteten auf der Baustelle in Meilen die Natursteinarbeiten an den Fassaden. Was war dabei die größte Herausforderung?
Daniel Stoffer: Bauherr und Architekt verlangten eine außergewöhnlich präzise Ausführung. Die Steine durften beispielsweise nicht zu weit vorstehen. Daher mussten sie gelegentlich zurückgespitzt oder nachbearbeitet werden. Anspruchsvoll war dies vor allem im Bereich der Fensterleibungen. Entscheidend für die ausgezeichnete Leistung der Steinmetze waren deren geschultes Auge sowie die handwerklichen Fähigkeiten
Wäre auch ein Trockenmauerwerk – also ohne Verklebung und ohne Rückverankerung – möglich gewesen?
Grundsätzlich ja, nur hätten wir damit den Nachweis der Erdbebensicherheit nicht e bringen können und die Dicke der Natursteinmauer hätte vergrößert werden müssen. Deshalb kam das nicht in Frage.
Der verwendete Rorschacher Sandstein zeigt größtenteils eine graue, teilweise aber auch eine gelbliche Färbung. Hier sieht man aber nur graue Steine.
Der Architekt verlangte das so. Die Steine mussten im Werk entsprechend vorsortiert werden. Zwischen 10 und 15 Prozent schieden aus diesem Grund aus.
Bei Regen zeigen sich die Mauerflächen teilweise recht durchnässt.
Das Wasser rinnt von der Brüstung über das Mauerwerk, ist aber nur oberflächlich. Die Fugen sind groß genug, damit das Wasser abfließen kann. Sobald die Sonne scheint, sind die Mauersteine innerhalb einer halben Stunde wieder trocken. Auch im Winter ist die Feuchtigkeit kein Problem. Der Rorschacher Sandstein und der verwendete Kleber sind frostsicher.
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Überbauung Gießen, Meilen bei Zürich, Schweiz
Bauherr:
Baugesellschaft Gießen c/o Beat Odinga AG, Uster
www.odinga.ch
Architekt:
Max Dudler, Zürich; www.maxdudler.com
Bauleitung:
Schwendener Baumanagement, Zürich; www.s-bm.ch
Vorfabrizierte Betonelemente:
Sulser AG, Betonvorfabrikation / Baustoffe Schollberg AG, Trübbach
www.sulser-zement.ch
Lieferung Naturstein-Mauersteine:
Bärlocher Steinbruch und Steinhauerei AG, Buchen-Staad SG
www.baerlocher-naturstein.ch
Ausführung Naturstein-Mauerwerksfassade:
Arbeitsgemeinschaft Naturstein Gießen bestehend aus:
• Abraxas Natursteine AG, Uerzlikon ZH; www.abraxasag.ch
• Bärlocher Steinbruch und Steinhauerei AG, Buchen-Staad SG;
• J.&A. Kuster Steinbrüche AG Bäch, Freienbach SZ; www.kuster.biz
Lieferung Steinkleber:
PCI Carrament: PCI Bauprodukte, Zürich; www.pci.ch
Lieferung Anker:
Halfen Swiss AG, Wallisellen; www.halfen.ch
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